Kurz gefragt: Worum geht es in Ihrem Programm „Der allerletzte Tag der Menschheit“? Hosea Ratschiller: Kurz geantwortet: Um Österreich. An einem heißen Sommertag titelt eine Gratis-Zeitung „Kommt jetzt der Weltkrieg?!“. Und dann fliegen wir 90 Minuten lustig quer durchs Land und beobachten verschiedenste Figuren dabei, wie so eine Schlagzeile in ihr Leben einbricht. Wir begleiten den Minister zur Thai-Massage, den Polit-Aktivisten ins Gefängnis, wir werden Zeugen der politisch korrektesten Kebab-Bestellung aller Zeiten, fahren ein Stück mit dem Kanzler im Auto mit, schauen auf Bauernhöfe, in Redaktionsstuben, Pfarrhäuser, Bobo-Wohnungen und vieles mehr. Insgesamt spiel ich ca. 43 Rollen und die grandiosen RaDeschnig-Zwillinge musizieren dazu.
Gibt es aktuelle Themen, die Sie in das Programm einbauen würden, wenn Sie es gerade schreiben würden? Ja, sicher. Aber beim Nachdenken darüber, was ein aktuelles Thema sein könnte, verlasse ich mich nicht auf die Hochrechnungen breitenwirksamer Zeitungen. Die müssen ja jeden Tag was schreiben. Und dabei so tun, als wäre das extrem wichtig und richtig. Meine Programme sollten möglichst ein Jahr nach der Premiere auch noch gegenwärtig wirken.
„Die Meinungsfreiheit ist ein hohes Gut, aber über Fußball macht man keine Witze.“
Hosea Ratschiller
Was bewegt die Österreicher Ihrer Meinung nach im Moment am meisten? Wenn sie Kinder haben, deren Wohlbefinden. Wenn sie keine Kinder haben, wahrscheinlich irgendwas zwischen Zuwanderung, Fitness und Justin Biebers neuer Frisur.
An was werden wir uns erinnern, wenn wir an 2016 zurückdenken? Hoffentlich an möglichst wenig. Dann hatten wir ein schönes Jahr.
An was werden Sie zurückdenken? An meinen legendären Auftritt im Treibhaus Innsbruck. Bist du deppert, als sich dann alle ausgezogen haben. Das glaubt man ja gar nicht, wenn man nicht dabei war.
Wer wird Bundespräsident oder -präsidentin? Wen würden Sie sich aus Kabarettisten-Sicht wünschen? Ein schönes Symbol finde ich, dass mit Andreas Khol und Alexander Van der Bellen gleich zwei Kinder aus Migranten-Familien zur Wahl antreten. Das wäre nicht in jedem Land möglich. Aber letztendlich wird es wohl keine der bisher kandidierenden Personen werden. Ich glaube, Heinz Fischer wird noch vor Ostern die Krone angeboten.
Wer wird Fußball-Europameister? Österreich? Die Meinungsfreiheit ist ein hohes Gut, aber über Fußball macht man keine Witze. Wenn alle fit und in Form sind, ist ein Viertelfinale drin. Ich fürchte, für mehr fehlt noch ein bisserl die Breite im Kader. Aber 2018 werden wir Weltmeister.
Wie ist es um das heimische Kabarett Ihrer Einschätzung nach im Moment bestellt? Besser denn je. Die Bandbreite ist enorm, die Qualität steigt wieder, es gibt unzählige junge, talentierte und intelligente Beginner. Und nach ein paar Jahren Durststrecke wird Kabarett aus Österreich auch in Deutschland und der Schweiz wieder interessierter verfolgt. Klar, es gibt nach wie vor das fade Abfrühstücken von Klischees, aber so viel Spannendes gab es noch nie. Was derzeit ein bisserl fehlt, ist eine breitenwirksame Plattform für künstlerische Entwicklung. Aber wir arbeiten auch daran.
Im April feiern Sie Ihr zehnjähriges Jubiläum als FM4-Ombudsmann. Hat das Format ein Ablaufdatum? Dieses Jubiläum ist völlig irre. Martin Puntigam und ich haben damals optimistisch spekuliert, dass wir eventuell 100 Sendungen schaffen könnten. Jetzt sind wir weit jenseits der 2.000 und soweit ich weiß, gab es im ORF noch kein langlebigeres tägliches Satire-Format. Und dann spricht da auch noch so eine komplett nervige, uncoole Figur lange Gliedsätze zu absurd verkomplizierten Themen, völlig ohne Soundeffekte – mitten in der Radio-Primetime. Da können wir uns nur herzlich für den Mut und die Geduld von FM4 bedanken. Weil von den 2.000 Sendungen waren allerhöchstens 1.900 wirklich extrem gut. Mein Ziel ist, die Figur FM4-Ombudsmann so lange zu spielen, bis ich meine Stimme dafür nicht mehr verstellen muss.
Im März kommen Sie mit Ihrem Soloprogramm „Doppelleben“ noch einmal ins Treibhaus. Worum geht es da? Es ist eine Art Gangster-Epos. Da wird einer zum Strizzi. Die Hauptfigur hätte gern die korrekte Haltung zu allem, aber trotzdem ein schönes Leben. Blöderweise hat er aber nur einen halbwegs passablen Geschmack und immer weniger Geld. Sonderlich schlau oder mutig ist er auch nicht. Was tun? Woher nehmen, wenn nicht stehlen? Oder vielleicht doch stehlen?
Gibt es etwas, dass Sie an Tirolern befremdlich finden? Seien Sie ruhig ehrlich. Ein großer Teil meiner Familie stammt aus Innsbruck und Südtirol. Und ja, ich bin hochgradig befremdlich. Aber auch sehr kernig, gewitzt und widerstandsfähig.
Vielen Dank für das Gespräch.
„Ich glaube, Heinz Fischer wird noch vor Ostern die Krone angeboten.“
Hosea Ratschiller