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FEBER 2015

Interview

„Ich spüre keine Islam-Feindlichkeit“

Zekirija Sejdini lehrt Islamische Religionspädagogik an der Universität Innsbruck. 6020 hat ihn nach den Terrorattentaten von Paris zum Interview gebeten.

Interview: Denise Neher
Fotos: Universität Innsbruck, Shutterstock
6020:

Wie viele Studenten der Islamischen Religionspädagogik gibt es derzeit in Innsbruck – und sind sie alle muslimisch? Zekirija Sejdini: Zurzeit haben wir etwa 50 Studierende, unter denen auch einige nicht-muslimisch sind. Diese sind für uns eine enorme Bereicherung, da sie eine Außenperspektive einbringen.

 

Was fragen Sie Ihre Studenten angesichts der brutalen Gewalt, die Islamisten verüben? Wir analysieren die Ereignisse gemeinsam und versuchen zu ergründen, auf welche Weise und mit welchen religiösen Texten diese Taten legitimiert werden. Unser Ziel ist es, uns mit diesen Textstellen kritisch auseinanderzusetzen.

 

Was hat sich für Sie persönlich durch die Terrorattentate von Paris verändert? Und hat sich an Ihrer Arbeit als Professor etwas verändert? Diesmal habe ich mich auch persönlich angegriffen gefühlt, weil die Meinungsfreiheit, auf die wir alle in Europa großen Wert legen, auf brutale Art und Weise angegriffen wurde. Als Professor der Islamischen Religionspädagogik wird man von den Medien gefragt und man versucht, auf die Anfragen zu antworten. Es ist mein Anliegen, über die Medien klarzumachen, dass diese terroristischen Angriffe auch seitens der Muslime entschieden verurteilt werden.

Islam

Zekirija Sejdini

 

wurde 1972 in Mazedonien geboren und hat in Kairo, Istanbul und Heidelberg Islamische Theologie mit den Schwerpunkten Islamische Philosophie und Pädagogik studiert.

 

Er ist Professor für Islamische Religions-pädagogik an der Universität Innsbruck. Die Uni Innsbruck ist derzeit die einzige Hochschule in Österreich, die ein Bachelor-Studium in diesem Bereich anbietet. 2016 werden die ersten Islamischen Religionspädagogen ihr Studium beenden und dann als islamische Religionslehrer an Pflichtschulen unterrichten.

 

Spüren Sie eine Islam-Feindlichkeit in Innsbruck? Ich spüre überhaupt keine islamfeindliche Atmosphäre in Innsbruck und bin auch sehr froh darüber.

 

Haben Sie von radikalen Islamisten in Innsbruck gehört? Gehört habe ich, dass die radikalen Tendenzen in Innsbruck viel geringer seien als in manch anderen Bundesländern. Genauere Informationen fehlen mir jedoch.

 

Ist der Islam eine gewalttätige Religion? Ich glaube, dass der Islam und auch die anderen Weltreligionen nicht auf Gewalt, sondern auf Frieden setzen. Jedoch kann ein unreflektierter Zugang zur Religion auch zu Gewalt führen. 

 

„Kämpft gegen die Ungläubigen und tötet sie.“ Was sagen Sie zu dieser angeblichen Koranstelle? Eine deckungsgleiche Aussage ist mir im Koran nicht bekannt. Einige Stellen im Koran, die der erwähnten Aussage ähnlich sind, sind im Kontext zu verstehen und beziehen sich auf eine bestehende kriegerische Auseinandersetzung im siebten Jahrhundert zwischen den mekkanischen Götzendienern und den durch diese vertriebenen Muslimen.

Diese dürfen nicht aus dem Kontext gerissen werden und besitzen keinen allgemeingültigen Charakter. In diesen Versen wird klar angedeutet, dass es sich um eine konkrete historische Situation handelt, in der es den Muslimen, die von Mekka vertrieben worden sind, erlaubt wird, gegen jene zu kämpfen, die sie von ihrer Heimat aufgrund ihres Glaubens vertrieben haben.

 

Sagt der Islam eindeutig, dass niemand getötet werden darf? Es gibt einige Koranverse, die das Töten verbieten bzw. für den Erhalt des menschlichen Lebens plädieren. Die berühmteste Stelle ist jener Koranvers, in dem sinngemäß die Tötung eines Menschen mit der Tötung der ganzen Menschheit und der Erhalt eines Menschenlebens mit dem Erhalt der ganzen Menschheit verglichen werden.

 

Ist Allah so klein, dass ihn Karikaturen bedrohen können? Die Taten, die im Namen Gottes durchgeführt werden, sagen nichts über Allah bzw. Gott aus, sondern eher über diejenigen, die diese Taten vollbringen.

„Die Taten, die im Namen Gottes durchgeführt werden, sagen nichts über Allah bzw. Gott aus, sondern eher über diejenigen, die diese Taten vollbringen.“

Zekirija Sejdini