„Während herkömmliche Betreiber zusperren mussten, standen wir in der Hochblüte.“
Dietmar Zingl, Leokino und Cinematograph
Chronologie
1896
In den Innsbrucker Stadtsälen finden die ersten Kinovorführungen Tirols statt.
1907
Im Neubau des Hotels Grauer Bär wird das erste feststehende Kino Innsbrucks eröffnet. Zuvor locken vor allem Wanderkinos die Bevölkerung an.
1930
„The Singing Fool“ ist der erste Tonfilm, der im Zentral-Ton-Kino in Innsbruck gezeigt wird.
1959
Das Metropol Kino in der Innstraße wird mit „Freddy, die Gitarre und das Meer“ eröffnet.
itte November sieht die vierte Dimension im Innsbrucker Metropol Kino noch arg nach Baustelle aus – und riecht auch so. Ein Hauch von Fleischkäse hängt im einstigen 5-er Saal, wo sich Gerüste an Farbkübeln und Planen schmiegen und Arbeiter emsig an einem 750.000 Euro teuren cineastischen Projekt werkeln, das am 6. Dezember mit „Jumanji: The Next Level“ eingeweiht wird.
//4DX nennt sich die technische Inno-vation, die Kinobesucher aus den 72 mit Servomotoren versehenen Sitzen schleudern soll – oder sie zumindest ordentlich durchrütteln will. Zudem werden den Besuchern des ersten 4DX-Kinosaals Westösterreichs Wind und Wasser um die Nase blasen, die mitunter olfaktorisch umschmeichelt wird: Wo bislang nur Nacho- und Popcorn-Gerüche umher waberten, soll es fortan also – je nach Plot – auch mal nach Rosen und Kaffee duften. Willkommen im futuristischen Reich der Sinne …
Überraschende, lebende Bilder.
123 Jahre zuvor steckte die Kinowelt noch in den Kinderschuhen – und wurde zunächst als eigentümliche Kuriositätenschau wahrgenommen. „Wir machen auf diese überraschenden, lebenden Bilder aufmerksam und glauben aus eigener Erfahrung, dass niemand den Besuch und die kleinen Ausgaben bereuen wird“, wurde im November 1896 in den „Neuen Tiroler Stimmen“ die erste Kinematographen-Vorführung in den Innsbrucker Stadtsälen beworben.
//Bereits ein Jahr nachdem die Gebrüder Lumière im Grand Café in Paris mit Kurzfilmen wie „Die Ankunft eines Zuges auf dem Bahnhof von La Ciotat“ oder „Der begossene Gärtner“ für offene Münder gesorgt hatten, war das bewegte Bild also auch in Tirols Landeshauptstadt gelandet. Bis anno 1907 im Hotel Grauer Bär das erste fixe Kino in Innsbruck eröffnet wurde, waren es vornehmlich Wanderkinos, die das Innsbrucker Publikum mit höchstens halbstündigen Filmvorführungen in ihren Bann zogen.
Dass Skeptiker vor dem für die Augen „schädlichen Flimmern“ warnten, tat der Begeisterung für das neue Medium nur wenig Abbruch. Und so entschlossen sich immer mehr Innsbrucker Gastwirte dazu, in ihre Räumlichkeiten Kinosäle zu integrieren. In die ersten Jahre des 20. Jahrhunderts fällt aber auch die Eröffnung des Zentral-Kinematograph oder des Triumph-kino, wo Streifen wie „Cowboy‘s Brautwerbung“ oder „Eine Hochzeitsreise mit Hindernissen“ auf dem Programm standen. Inklusive orchestraler Live-Begleitung und Entzündungsgefahr – das damalige Material war nämlich brandgefährlich.
1965
Allein in Innsbruck gibt es mit Forum, Kammer, Koreth, Laurin, Nonstop, Olympia, Triumph, Zentral, Metropol und Leo zehn Kinos.
1970er Jahre
Der Kinoboom wandelt sich in ein Kinosterben: Immer mehr Standorte schließen.
1972
Gründung des Otto-Preminger-Instituts und Entstehung des Cinematographs, der 1984 an seinen jetzigen Standort in der Museumstraße zieht.
Dass Skeptiker vor dem für die Augen „schädlichen Flimmern“ warnten, tat der Begeisterung für das neue Medium nur wenig Abbruch. Und so entschlossen sich immer mehr Innsbrucker Gastwirte dazu, in ihre Räumlichkeiten Kinosäle zu integrieren. In die ersten Jahre des 20. Jahrhunderts fällt aber auch die Eröffnung des Zentral-Kinematograph oder des Triumph-kino, wo Streifen wie „Cowboy‘s Brautwerbung“ oder „Eine Hochzeitsreise mit Hindernissen“ auf dem Programm standen. Inklusive orchestraler Live-Begleitung und Entzündungsgefahr – das damalige Material war nämlich brandgefährlich.
Die glorreichen Zehn.
Nach Ende des Ersten Weltkrieges hatte sich das Filmfieber bereits in ganz Tirol ausgebreitet: Lichtspieltheater gab es längst nicht mehr nur in Innsbruck, sondern auch in Hall, Landeck, Kufstein und Lienz. Da wie dort machte sich zusehends aber auch nationalsozialistische Propaganda breit, Filme wurden als manipulative Waffen missbraucht und die Macht der Bilder bekam erschreckende Dimensionen.
Mit Kriegsende begann dann der Höhenflug der Vergnügungsindustrie und es schossen immer mehr Kinos aus dem Boden: Ein Blick in den Anzeigenteil der Tiroler Tageszeitung aus dem Jahr 1965 zeigt, dass es damals allein in Innsbruck zehn Kinos gab. Forum, Kammer, Koreth, Laurin, Nonstop, Olympia, Triumph und Zentral sind mittlerweile aber längst Geschichte – von den glorreichen Zehn übrig geblieben sind lediglich das Metropol Kino in der Innstraße und das Leokino in der Anichstraße, die neben dem Cineplexx-Komplex in der Tschamlerstraße bis heute das Inns-brucker Kinobild prägen.
//Seit 1998 hat im Leokino Dietmar Zingl die Zügel in der Hand. Im Kinogeschäft ist er aber schon seit 1981, als er mit nicht minder filmverrückten Freunden den Cinematograph übernahm, der damals vom Innrain in die Schöpfstraße gezogen war – und sich rasch vom provisorischen Hinterhof-Notkino zum gefragten Arthouse-Zentrum mauserte. 1984 wanderte der Cinematograph schließlich an seinen jetzigen Standort in die Museumstraße, wo das Geschäft vor allem in den ersten Jahren derartig brummte, dass man die Zuschauer auch übereinander hätte setzen können.
„Weil das Kino in den Höttinger Berg hinein gebaut wurde, sorgt das Erdreich für den perfekten Schallschutz.“
Christian Hofer, Metropol Kino
1997
Das alte Metropol Kino wird abgerissen: Auf dem Gelände entstehen sechs neue, hochmoderne Säle.
1999
Nach intensiven Umbauarbeiten wird das Leokino in der Anichstraße eröffnet.
2019
Die vierte Dimension hält Einzug im Metropol Kino: Am 6. Dezember eröffnet der erste 4DX-Saal Westösterreichs.
„Von der viel zitierten Kinokrise haben wir nichts gespürt. Im Gegenteil: Während herkömmliche Betreiber zusperren mussten, standen wir in der Hochblüte“, sagt der Programmkino-Zampano, der aus langjähriger Erfahrung weiß, wie groß das Bedürfnis nach anspruchsvoller Filmkost ist. Mit knisterndem Knabberkram muss er diese übrigens nicht schmackhaft machen: Echte Cineasten beißen auch so an.
Nackte Haut und kein Gebimmel.
Der Siegeszug des Farbfernsehens, das Aufkommen der Video- und DVD-Industrie und der Höhenflug von Streaming-Plattformen haben indes etlichen kommerziell ausgerichteten Kinos in und um Innsbruck das Genick gebrochen. Daran konnte auch die Sex-Sells-Strategie nichts ändern: So versuchte sich das Olympiakino in der Höttinger Au in den 1970er und 1980er Jahren als Pornokino, doch entpuppte sich die Lust an Schmuddelfilmchen Marke „Schulmädchenreport“ dann doch als enden wollend. Mit viel nackter Haut und noch mehr absehbarer Handlung wollte man seinerzeit auch im Triumph-Kino in der Maria-Theresien-Straße punkten – nachhaltige Höhepunkte blieben hier aber genauso aus.
Das 1959 mit „Freddy, die Gitarre und das Meer“ eröffnete Metropol Kino, das noch immer in Familienbesitz ist, hat etwaige Jammertäler indes mit Investitionen und Innovationen durchwandert. Angst vor lärmgeplagten Nachbarn müssen sich die Betreiber trotz wummernden Dolby-Atmos-Tonsystemen übrigens keine machen, wie Christian Hofer vom Metropol erklärt. „Weil das Kino in den Höttinger Berg hinein gebaut wurde, sorgt das Erdreich für einen perfekten Schallschutz“, betont er. Und noch ein Gutes hat die ungewöhnliche Kino-Architektur: Mit lästigem Handy-Gebimmel und leuchtenden Displays muss man sich hier nicht abplagen. Smartphones haben in den acht klassischen Sälen und dem neuen 4DX-Saal schlichtweg keinen Empfang. Manchmal ist‘s eben auch gut, wenn die Technik streikt.