ie Signa Holding GmbH beteiligt sich mit 49 Prozent an der WAZ Ausland Holding GmbH. So unspektakulär ist die Essenz des wirtschaftlichen Vorgangs, der den österreichischen Blätterwald seit Faschingsbeginn rauschen lässt. Das Windwachteln verläuft zwar ausschließlich spekulativ, doch beim unbedarften Medienpublikum bleibt letztlich bloß die Botschaft hängen: „Benko kauft ‚Krone‘ und ,Kurier‘.“ Wissendere korrigieren dies dann zu: „Benko steigt bei ,Krone‘ und ,Kurier‘ ein.“
Das kommt der Wahrheit näher. Die österreichische Familie Benko Privatstiftung kontrolliert zu 85 Prozent die Signa Holding. Und zur im deutschen Ruhrgebiet beheimateten WAZ Ausland Holding gehören die Hälfte der „Krone“ und 49,44 Prozent des „Kurier“. Die Signa kontrolliert also 24,5 Prozent der größten und 24,23 Prozent der drittgrößten Kauf-Tageszeitung Österreichs samt Radio, TV- und Online-Ablegern. Die beiden Blätter bilden mit ihrem gemeinsamen Verlagsunternehmen Mediaprint das umsatzstärkste private Medienhaus des Landes nach dem öffentlich-rechtlichen ORF.
Ein Tiroler geht einkaufen.
Nach landläufigen Emotionskriterien sollte die austriakische Seele nun tief befriedigt von einer sich anbahnenden Heimholung publizistischer Schlachtrösser sein. Auch den anderen Gesellschaftern, der Wiener Familie Dichand bei der „Krone“ und Raiffeisen beim „Kurier“, müsste eine Ösifizierung der Partner eher recht als schlecht sein – möchte der gelernte Patriot annehmen. Dass dies nicht klar wird, liegt ausgerechnet an einem Tiroler ungarischer Herkunft: René Benko ist 41 Jahre alt, wird auf 3,8 Milliarden Euro Privatvermögen geschätzt und stammt aus einfachen Innsbrucker Verhältnissen.
Solche Erfolgsmenschen sind den Nicht-Gewinnern eines siebenfachen Lotto-Jackpots grundsätzlich suspekt. Vor allem dann, wenn sie nicht öffentlich über sich reden. Benko kauft große Sachen, aber er gibt keine Interviews. Vom Kaufhaus Tyrol in seiner Heimatstadt bis zum Otto-Wagner-Bau der Wiener Postsparkasse, von Karstadt und Kaufhof in Deutschland bis zu Kika und Leiner in Österreich reicht das Spektrum seiner Trophäen. Und jetzt – nach Immobilien, Kauf- und Möbelhäusern – also Medien. Noch dazu Zeitungen: Das ist die Branche, deren prophezeites Todesdatum täglich abläuft.
Erst Fußball, dann Medien.
Andreas Braun, einst Tirol-Werbung-Chef und Gründer der Swarovski Kristallwelten, hat vor Jahren schon postuliert, in der Kommunikationsära müsse jedes Unternehmen zur Medienfirma werden. Signa vollzieht somit augenscheinlich ein Gebot der Stunde. Wo also liegt das Problem, das mangels weiterer Informationen die nahezu durchwegs vorsichtig-kritischen Medienberichte – zwangsläufig auch Konkurrenzeinschätzungen – andeuten? Es ist eine emotionale Abwehrhaltung, die sich am ehesten per Fiktion erschließt. Dazu stellen wir uns am besten vor, Signa alias Benko würde bei Rapid Wien einsteigen – Österreichs populärstem Traditions-Fußballverein. Aus Sicht eines Investors seiner Dimension wäre das durchaus eine Option. Brot und Spiele: Die großen Kicker-Klubs sind aufgrund ihrer Massenwirkung ebenso vermeintliches Gemeingut wie die reichweitenstarken Medien. Nicht erst der Marketing-Großmeister Dietrich Mateschitz hat diese Dualität vorgemacht; mit Fußball- wie Formel-1-Teams auf der einen Seite und Servus TV oder „Red Bulletin“ auf der anderen.
Erfolgsmenschen wie Benko sind den Nicht-Gewinnern eines Lotto-Jackpots grundsätzlich suspekt.
Beide Investmentbereiche sind die Trend-Zielobjekte der Superreichen. Im Fußball gilt der russisch-israelische Oligarch Roman Abramowitsch seit seinem Kauf des Londoner FC Chelsea vor 15 Jahren als Prototyp dieser Entwicklung (auch wenn er sich aktuell angeblich wieder davon trennen will). Seit Mansour bin Zayed Al Nahyan, ein Scheich aus Abu-Dhabi, der Haupteigner von Manchester City ist, hat der Stadtrivale Manchester United im Besitz des US-Milliardärs Malcolm Glazer nicht mehr die besseren Finanzkarten. Frankreichs Aushängeschild Paris Saint-Germain wirkt seit der Übernahme durch Qatar Sports Investments unangefochten. In Deutschland verhindert unterdessen die 50+1-Regel den Ausverkauf des Ballesterer-Kults: Sie verbietet Finanzanlegern, die Stimmenmehrheit bei Kapitalgesellschaften zu übernehmen, in die Fußballvereine ihre Profi-Teams ausgegliedert haben. Mateschitz (Leipzig), aber auch SAP-Mitgründer Dietmar Hopp (Hoffenheim) schreckt das nicht ab.
Wohltäter und Totengräber.
Für Medien gibt es global keine solchen Beschränkungen. Entsprechend begehrt sind die Flaggschiffe der Branche. Der Mexikaner Carlos Slim, dessen América Móvil auch die Mehrheit an der Telekom Austria gehört, wurde 2015 zum größten Einzelaktionär der „New York Times“ (NYT). Jeff Bezos, der Gründer von Amazon und reichste Mensch der Welt, hat 2013 die „Washington Post“ (WP) übernommen. Bereits 2010 war der Oligarch Alexander Lebedew zum Eigentümer des Londoner „The Independent“ aufgerückt. Schon 2004 kaufte der (heuer gestorbene) Rüstungsunternehmer Serge Dassault die Verlagsgruppe rund um das konservative französische Leitmedium „Le Figaro“.
//Medien sind sexy für Milliardäre. Ihr Umgang damit umfasst das gesamte Spektrum vom Wohltäter bis zum Totengräber. Das Kapital von Bezos hat der WP ermöglicht, wieder gut zu werden. Die NYT berichtete weiterhin kritisch auch über Aktivitäten ihres Gesellschafters Slim. Der „Independent“ hingegen erschien nach sechs Jahren im Besitz von Lebedew 2016 letztmals auf Papier.
Argwohn der Kontrolleure.
Bei aller Berechtigung demokratiepolitischer Bedenken gibt es kein prinzipielles Argument gegen die neuen Verleger aus dem Großkapital. Sie werden die Branche geschäftlich verändern – so wie sie es im Fußball getan haben. Doch Journalisten sind keine Kicker. Ihr Job als Spielmacher erfordert Wachsamkeit nach innen wie außen, denn ihre wichtigste Eigenschaft ist Glaubwürdigkeit.
//Aus solcher Perspektive ist Signas bzw. Benkos Einstieg in dieses etwas andere Geschäft vorerst nicht mehr und nicht weniger als spannend. Während die Investments in Fußball vor allem die Emotionen traditioneller Vereinsanhänger aushalten müssen, vollzieht sich das Engagement von Milliardären in demokratiepolitisch relevante Medien weniger unter dem Argwohn der Leser, Hörer, Seher und User, sondern vor allem der Macher dieser Zeitungen, Radio- wie TV-Sender und Online-Plattformen. Bei funktionierendem journalistischem Ethos und Selbstverständnis sollte diese Kontrolle ausreichen.