Ihr eigenwilliger Style könnte sie zur furchtbarsten und gleichzeitig genialsten Hochzeitsband aller Zeiten machen.
ir sollten uns über Rachet Bronco unterhalten. Das ist eine Band, die auf bizarrster Weise mit Rockklischees kokettiert und speziell im Laufe des vergangenen Jahres eine spannende personelle und musikalische Metamorphose erlebt hat. Hierzulande hat diese Entwicklung kaum jemand mitgekriegt, weil sie in Frankreich passiert ist. Hier liegt Grenoble, eine Stadt, die Partnerschaften zu vielen Orten auf fast allen Kontinenten pflegt, seit 1963 auch zu Innsbruck. Diese freundschaftlichen Beziehungen werden auch mit jungen Musikern zwischen 18 und 25 Jahren zelebriert, und zwar im Rahmen des Festivals „Divercities“. Das Festival wird im Zweijahrestakt veranstaltet und fand heuer vom 29. Juni bis 9. Juli statt. Die Innsbrucker Delegationen treffen hier auf Musiker aus Essen in Deutschland, Kaunas in Litauen, Ouagadougou in Burkina Faso, Sfax in Tunesien, Rehovot in Israel, Sevan in Armenien, Tsukuba in Japan und natürlich auf Local Heroes aus Grenoble. 2014 waren übrigens die Prog-Rocker von Mother’s Cake zu diesem Festival geladen.
Musikalischer Austausch erwünscht.
Die Bands treffen sich in bestens ausgestatteten Proberäumen und Studios, proben miteinander und schreiben neue Songs. Und wer acht bis zehn Stunden täglich mit Musizieren verbringt, ist produktiv: „In Zusammenarbeit mit anderen Musikern haben wir über 40 Arrangements ausgetüftelt“, erzählen Alex und Pete. So kam es auch zu einer Performance eines alten Songs in Tiroler Mundart mit einem japanischen Trommler. „Wir durften auch die Abschlussnummer der ‚Divercities‘-Open-air-Show spielen, und zwar mit einem israelischen Pianisten und einem französischen Sänger – ein irres Finale vor 7.000 Leuten“, schwärmt Alex. In den kommenden Monaten ist zudem ein Gegenbesuch aus Grenoble zu einem gemeinsamen Konzert in Innsbruck geplant – das erklärte Ziel von „Divercities“ ist nämlich ein fortwährender musikalischer Austausch zwischen den Teilnehmern.
Wie kam die Band überhaupt zu der Ehre, beim Festival dabei zu sein? Durch die Innsbrucker No-Bros-Legende Klaus Schubert: „Er kannte unsere frühere Band rePete und hat uns nach Grenoble eingeladen.“ Für die Teilnahme musste die Band aber um zwei weitere Bandmitglieder wachsen, um die Kriterien zu erfüllen. rePete-Drummer und Keyboarder Lillian sind außerdem vorzeitig aus der Band ausgestiegen, ersetzt wurde er durch Steve. Gitarrist Dip Rahim gesellte sich zur Truppe, Jesse übernahm nach einem dreistündigen Crashkurs die Pianisten-Agenden. So will es die Legende.
Living on the Ätsch.
Wie sehr die Band vom kreativen Input in Grenoble profitieren konnte, wollten Rachet Bronco auch Mitte November in der Innsbrucker p.m.k demonstrieren. Hier wurde ein musikalisches Double-Feature geboten, um im ersten Teil der Show rePete zu verabschieden und im zweiten Rachet Bronco vorzustellen.
Aktuell haben sie sechs bis zehn Lieder im Repertoire. Diese sind bluesig, funky, hart, schnell, langsam und gerne laut.
Während die erste Formation noch für melodischen, basslastig-treibenden und energiereichen Rock stand – zu dem nach Belieben geheadbangt, gehüpft und gestampft werden konnte –, präsentieren die neuorientierten Herrschaften einen komplizierteren, nicht leicht tanzbaren und progressiven Sound.
//Was war geschehen? Das freundlich-nette Gehabe der süßen Rocker von nebenan fadisierte die Bandmitglieder zusehends. Sie lechzten nahezu nach einem Leben auf der Überholspur und ließen dabei keinen Rockstarklischeeskandal aus: Sie fuhren Rad gegen die Einbahn, klauten Eisschilder und verlegten Blumentöpfe. Gerüchten zufolge soll sogar ein Bandmitglied regelmäßig Stiefel aus lebendigen Robbenbabys getragen und Keyboards aus feinstem Elfenbein bevorzugt haben.
Rachet Bronco schwören im Hier und Jetzt, mit ihrer krassen Vergangenheit abgeschlossen zu haben, man konzentriere sich nun auf die Neuausrichtung. Den üblichen Band-Interviewer-Diskurs verweigern sie übrigens augenzwinkernd. Ein beharrliches Nachbohren, um Informationen über ihre wahren Ichs abseits der Bühnenpersonae zu erhalten, ist nicht zielführend. Ob nun aber Gitarrist Dip Rahim beispielsweise tatsächlich eine Internetseite zum Vergleichen von unterschiedlichen Eismaschinen betreibt, spielt in der Gründung des Rachet-Mythos nur eine kleine Nebenrolle.
Irrer Sound im Hawaiihemd.
Aktuell haben sie sechs bis zehn Lieder im Repertoire. Diese sind bluesig, funky, hart, schnell, langsam und gerne laut. Als erfahrene Poser mit dramatischer und überwältigender Bühnenpräsenz sind Rachet Bronco die Reinkarnation der Rocky Horror Picture Show in Hawaii-Hemden und Spongebob Shirts – irrsinnig und verstörend. „Unsere Musik ist sehr gewöhnungsbedürftig“, gesteht Jesse.
Man könnte sich aber sehr wohl an ihren eigenwilligen Style gewöhnen, zumal die fünf Herren technisch sehr vielschichtiges Terrain betreten und auch souverän rüberbringen. Weil sie’s können. Das könnte sie zur furchtbarsten und gleichzeitig genialsten Hochzeitsband aller Zeiten machen.
//Und was bedeutet Rachet Bronco genau? „Mit unserem Bandnamen wollen wir den berühmten ägyptischen Pharao Rachet ehren, jenem gottgleichen König, der die Menschheit wie wir sie heute kennen, rettete“, sagt Alex. Rachets Volk soll nämlich durch eine Dürre furchtbaren Durst gelitten haben. „Und so zog der Königsgott mit seinem Kamel namens Bronco durch die Wüste und fand die rettende Quelle“, rezitiert Pete den siebten von zehn Bandnamens-Mythen zu Ende. Die anderen neun würden diesen Rahmen sprengen.
Bandmitglieder:
Alex (Bassgitarre, Gesang)
Dip Rahim (Gitarre)
Pete (Gitarre und Gesang)
Jesse (Keyboards und Gesang)
Steve (Drums)
Musik von Rachet Bronco in Worten:
Etwas gewöhnungsbedürftiger, irrsinniger, aber gut gemachter Chaosrock. So wie der Sound einsamer Alpin-Mustangs eben klingen soll.
Wo tritt Rachet Bronco auf?
Tirol und Grenoble
Bekanntheitsgrad
2 von 10
Ihr nächstes Konzert spielen Rachet Bronco am 10. Dezember im Weekender zur 4-Jahres-Feier von Legends of Rock. Mit dabei sind auch Lilla und Tripsitter. Karten gibtís im Vorverkauf um 7 Euro.
Infos unter
www.facebook.com/rachet.bronco