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DEZEMBER 2016

Die fünf Stadthalter

Wien ist anders – auch wenn es sich nicht mehr so plakatiert. Eher verkörpern die Landesmetropolen den österreichischen Balanceakt zwischen Bodenständigkeit und Urbanität. Graz, Linz, Salzburg und Innsbruck – sowie Klagenfurt. Aus dem Jahrzehnte bestehenden Austro-Quartett der Großstädte mit mehr als 100.000 Einwohnern werden jetzt trotz Kärntens Bevölkerungsrückgang endlich die Top Five. Einst Etappenziele des Mittelmaßes, vollziehen sie längst den Concours der Lebensqualität.

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s ist ein Mädchen.“ So wurde die christdemokratische Kanzlerin Angela Merkel von der linksalternativen „tageszeitung“ am 11. Oktober 2005 begrüßt. Die Schlagzeile passt auch zu Klagenfurt, wo erstmals eine Sozialdemokratin Bürgermeisterin einer Landeshauptstadt ist. Seit 2015 regiert Maria-Luise Mathiaschitz östlich vom Wörthersee wie zwischen Hafelekar und Patscherkofel einst Hilde Zach – Österreichs erste Frau in einer solchen Position. Matriarchalisch. Also im Zweifel autoritär. Vergleiche mit Christine Oppitz-Plörer vom grünen Inn sind angebracht. Parallelen zum Schwarzen Siegfried Nagl in Graz sowie zum Roten Klaus Luger in Linz und Heinz Schaden in Salzburg drängen sich auf. Patriarchen? Sie würden das durchwegs so von sich weisen wie Mathiaschitz und Oppitz-Plörer. Das Amt prägt Inhaber wie Inhaberin. Stadt braucht Führung. Klingt gendergerecht, ist aber historisch belastet. Leadership hat weder Geschlecht noch Geschichte. Der Zeitgeist ist ein Wording-Feigling.

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Klagenfurt am Wörthersee tut sich aber nicht nur schwer mit seinem seit 2007 offiziellen Namen. Die Wasserbenennung ist den Hauptstadtkärntnern so ungeheuer wie ihr Aufstieg unter die 100.000er-Kommunen. Statt sich über die Nachricht ihres Meldeamts zu freuen, geben sie der zurückhaltenden Zählweise der Statistik Austria den Vorzug. Erst die Geschichtsschreibung wird entscheiden, ob die Lindwurm-Gemeinde 2016 oder später die Schwelle überschritten hat. Ansonsten ist Österreichs südlichste Regionalresidenz so wechselhaft wie sonst nur Graz. Die Steirer-City wirkt wie ein Labor für  personell statt parteilich geprägte Politik. Ausgerechnet gegen Ende der Ära des FPÖ-Bürgermeisters Alexander Götz (1973–1983) gründete sich hier die Alternative Liste Österreichs, der linke Ursprungsflügel der Grünen. Ausgerechnet die KPÖ sorgte hier mit mehr als 20 Prozent für das Ende von SPÖ-Bürgermeister Alfred Stingl (1985–2003) – und auch die Neuwahl im Februar 2017, wenn ÖVP-Bürgermeister Siegfried Nagl es nach 14 Jahren an der Stadtspitze noch einmal ganz genau wissen will.

Der wechselhafte Süden.

Insgesamt nicht ganz so buntscheckig, aber an der Spitze ebenfalls dreifarbig hat sich Klagenfurt in der Zweiten Republik entwickelt. Hans Ausserwinkler (1957–1973), dem Langzeitbürgermeister der SPÖ, folgte mit Leopold Guggenberger ein noch konditionsstärkerer Mann der ÖVP und ab 1997 dann dessen Parteigänger Harald Scheucher.

Leadership hat weder Geschlecht noch Geschichte. Der Zeitgeist ist ein Wording-Feigling.

 

Ausgerechnet nach dem Tod Jörg Haiders feierte dort die FPÖ mit Christian Scheider (2009 – 2015) als Gemeindechef ihren bisher zweitgrößten kommunalen Erfolg nach der Götz-Ära in Graz. Aktuell ist aber Oberösterreichs Nr. 2 Wels ihre städtische Hochburg, während Linz als beständigste sozialdemokratische Domäne nach Wien erscheint: Nach dem Amtszeitrekordhalter Franz Dobusch (1988–2013) ist Klaus Luger dort schon der siebte SPÖ-Bürgermeister in ununterbrochener  Reihenfolge seit 1945. Ebenfalls als rote Nummer sieben seit Weltkriegsende fungiert in Salzburg Heinz Schaden. So wie Gabi Burgstaller (SPÖ) dort von 2004 bis 2013 im Land die Liste der ÖVP-Landeshauptleute durchbrochen hat, verzeichnete die Stadt 1992 bis 1999 mit Josef Dechant einen schwarzen Fleck in ihrer sozialdemokratischen Bürgermeistergeschichte.

Innsbruck ist nicht nur unter den Top Five mit mehr als 100.000 Einwohnern, sondern insgesamt die einzige Landeshauptstadt, die bisher ausschließlich bürgerliche BürgermeisterInnen hatte. Wobei die Tiroler Besonderheiten hier schon durch die Wortwiederholung und das gender-gerechte Binnen-I angedeutet werden. Denn es ist keine echte ÖVP-Vorherrschaft, sondern ein schwarzes Personalkuriosum, das diese Dominanz sichert. Als 1994 Herwig van Staa mit der Abspaltung „Für Innsbruck“ die vermeintlich echte Volkspartei überholt hatte, wurde er zwar Bürgermeister, doch die stärkste Liste war damals die SPÖ unter Norbert Wimmer. Seitdem ist erst der Renegat als Landeshauptmann in den Schoß der ursprünglichen Gesinnungsgemeinschaft zurückgekehrt und hat ausgerechnet das konservative Innsbruck die erste Frau an der Spitze einer Landeshauptstadt gestellt.

 

Im Schlepptau von Wien, das sich von der langweiligsten Hauptstadt Europas am Rande des Eisernen Vorhangs zu einer der global attraktivsten Metropolen im Herzen der EU gemausert hat, haben sich die einstigen Kulturhauptstädte des Kontinents (Graz und Linz) wie die Mozart- und die Olympiastadt zu internationalen Anziehungspunkten entwickelt. Dem Neuzugang Klagenfurt fehlt in diesem Vergleich noch die klare Positionierung. Doch am Schnittpunkt von germanischer, romanischer und slawischer Kultur, nicht so bergbegrenzt wie Innsbruck, aber ähnlich gipfelnah wie Salzburg, am Rande des Wörthersees, mit dem Ingeborg-Bachmann-Preis und dem Eishockey-Rekordmeister könnte dies durchaus gelingen.

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Die nach Wien fünf größten Kommunen Österreichs vereint mehr, als ihre Mitgliedschaft im Städtebund erahnen lässt. Ihr unausgesprochener Wettbewerb als Verdichter des jeweils regionalen Lokalpatriotismus kommt ihnen dabei seit jeher zugute. Die unterschiedliche politische Zugehörigkeit ihrer Bürgermeister bremst jedoch einen intensiveren Austausch dieser fünf Großstädte (laut statistischer Definition von 1887), in denen ein Zehntel der österreichischen  Bevölkerung lebt. Noch. Digitalisierung, Globalisierung, eine neue Parteienlandschaft, eine andere Vertikalisierung der Verwaltung und ihr enormer Zuzug werden den Austausch dieser Top Five extrem beschleunigen.