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AUGUST 2018

Eine Fernseh-Frage für die Hundstage

Knapp vor Ferragosto beginnen die ORF-Sommergespräche. Peter Pilz, Beate Meinl-Reisinger, Heinz-Christian Strache, Christian Kern und Sebastian Kurz jagen wohl vergeblich die Rekordmarke von 2017. Da wurde der jetzige Kanzler zum zweiten Publikumsmillionär in dem seit 37 Jahren bestehenden TV-Format.

H

ab‘ keine Ahnung, doch ich hab ’n großes Maul. Bin weder Doktor noch Professor, aber ich bin stinkend faul.“ Wer erinnert sich noch an diese Zeilen? Ihre Erstveröffentlichung ist fast 27 Jahre alt. Damals, am 9. September 1991, schien es unmöglich, dass der Refrain dieses Lieds auch einmal auf jene gemünzt werden könnte, die das politische Inhaltstief der heißen Zeit aus dem Quotenloch retten sollten: „(Ich wär’ so gerne) Millionär.“ Das eine gilt für die Verrohung der Sprache in der Auseinandersetzung von Bürgern mit ihren Volksvertretern – wie sie Social Media öffentlichkeitsfähig gemacht hat. Das andere galt auch lange für die schon zehn Jahre zuvor erstmals ausgestrahlten „Sommergespräche“. 

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Sie waren 1991 kaum mehr eine Hundstage-Version des „Inlandsreport“.  Der heute 73-jährige Johannes Fischer und der zehn Jahre jüngere jetzige „Kurier“-Chefredakteur Helmut Brandstätter interviewten dafür Franz Vranitzky, Erhard Busek, Jörg Haider und Franz Floss. Letzterer, von 1990 bis 1992 und 2002 bis 2004 immerhin zweimal Bundesgeschäftsführer der Grünen, hat weitgehend unser politisches Gedächtnis verlassen. Haiders Todestag jährt sich zwar am 11. Oktober bereits zum zehnten Mal, doch drei „Sommergespräche“ mit ihm liegen immer noch unter den Top 20 der All-Time-High-Quoten für dieses Fernsehformat. Busek scheint dort nicht auf. Vranitzky wird nach dem 10. September 2018 nicht mehr in dieser Hitparade vertreten sein. Das Interview mit ihm – rund 100 Tage vor der ersten Nationalratswahl nach dem österreichischen EU-Beitritt – ist neben den Haider-Befragungen das einzige, das nicht im aktuellen Jahrzehnt geführt wurde. Dieses 1995er-Gespräch rangiert mit 667.000 Zuschauern auf Platz 20 – zehn Positionen hinter Haider aus dem gleichen Sommer.

Heinz-Christian Strache hat 2015 als Erster die Millionen-Hürde genommen.

Kern, Strache, Stronach hinter Kurz.

Zumindest der Vranitzky-Talk sollte vom Quotensieger 2018 übertroffen werden. Ansonsten wären die aktuellen von Nadja Bernhard und Hans Bürger geführten „Sommergespräche“ die am wenigsten gesehenen seit 2011. Damals war zum dritten Mal hintereinander Ingrid Thurnher die Interviewerin. Seitdem folgten Armin Wolf, Peter Resetarits, Bürger solo, Susanne Schnabl und Tarek Leitner. Vor der jetzigen ORF-III-Chefredakteurin waren neben den schon genannten Wolf, Fischer, Brandstätter, Nagiller und Resetarits auch Elmar Oberhauser, Gabi Waldner, Werner Mück, Gisela Hopfmüller, Robert Hochner, Margit Czöppan, Patricia Pawlicki, Wilfried Seifert, Hans Benedict, Gerhard Jelinek, Elisabeth Ludl, Franz Hlavac, Peter Rabl und Franz Kreuzer in dieser Rolle zu sehen. 2007 mengten sich noch die Zeitungsjournalisten Hubert Patterer, Wolfgang Fellner, Georg Wailand, Gerhard Lackner und Christoph Kotanko in dieses „Who is Who“ der ORF-Fragesteller. 

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2009 stellten auch Künstler, 2010 Unternehmer zusätzliche Fragen. 2008 und 2013 fielen die „Sommergespräche“ nicht ins Wasser, aber den herbstlichen Nationalratswahlen zum Opfer. Die gegenteilige Entscheidung, diese Interviews 2017 trotz der nur wenige Wochen später folgenden TV-Konfrontationen der Spitzenkandidaten zu führen, erwies sich allerdings als wahrer Straßenfeger. Mit 1,073 Millionen Zusehern hält Sebastian Kurz seitdem den Einschaltrekord. Christian Kern kam eine Woche später mit 943.000 auf Rang drei in der ewigen Bestenliste – hinter Heinz-Christian Strache, der 2015 als Erster die Millionen-Hürde (1,007) genommen hat. Er ist noch viermal unter den Top 20 vertreten.

Am häufigsten war allerdings Jörg Haider zu Gast bei den „Sommergesprächen“. Er nahm diese Gelegenheit 15-mal wahr, Wolfgang Schüssel brachte es auf 13 solche Bildschirmeinsätze. Er ist noch viermal unter den Top 20 vertreten. Am häufigsten war allerdings Jörg Haider zu Gast bei den „Sommergesprächen“. Er nahm diese Gelegenheit 15-mal wahr, Wolfgang Schüssel brachte es auf 13 solche Bildschirmeinsätze.

Vom Nationalen zum Kommunalen.

Strache teilt sich – noch – den dritten Platz mit Franz Vranitzky. Er macht aber Ende August das Dutzend voll. Alexander van der Bellen war zehnmal Gesprächsgast. Die Häufigkeit der Befragung ist auch ein Spiegelbild der parteilichen Kontinuität – aber nicht unbedingt der Zugkraft für das TV-Publikum. Frank Stronach erreichte 2015 – beim ersten seiner beiden Auftritte – 827.000 Zuschauer. Das ist Platz 4 in der Quotenhitparade. Matthias Strolz kam ein Jahr zuvor auf 718.000 Seher (Rang 14). Reinhold Mitterlehner und Michael Spindelegger sind neben Kurz die einzigen Schwarzen in den Top 20. Werner Faymann vervollständigt das rote Trio und ist wie Kern zweimal vertreten. Susanne Riess-Passer komplettiert das blaue Terzett. Eva Glawischnig ist dagegen die einzige Grüne unter den elf Parteichefs auf den ersten 20 Plätzen der vergangenen 37 Jahre. Die Wette, dass diese Farbe nach der 2018er-Runde auch hier nicht mehr vertreten sein wird, ist risikoarm. Ob Kurz, Kern und Strache mit den aktuellen „Sommergesprächen“ erneut an Stronach vorbeiziehen werden, wirkt hingegen fraglich.

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Das Wende-Wahljahr zeichnet sich auch deutlich in den Quoten ab. Sebastian Kurz könnte zwar infolge seiner Strategie, durch Verknappung des Medienguts „Gesprächspartner Bundeskanzler“ das Interesse steigern,