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AUGUST 2018

Albis Leben? Wär’ dir zu riskant

Wer bei „Rap aus Innsbruck“ automatisch an Beats mit schnell gesprochenen Mundarttexten denkt, hatte bislang wohl nicht die hiesige Gangsta-Szene am Radar. Das dürfte sich dank Albi und seinen Aton-Brazas bald ändern.

Fotos: Axel Springer
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o viele Klicks in so kurzer Zeit muss man erst mal schaffen“, sagt Albi. Sein erstes, protzig produziertes Video zum Track „ISSO“ feat. Traplin, das mit fetten Karren, Guns und knapp bekleideten Ladys in Clubs gleich mehrere genretypische Stilmittel bedient, ging Ende Feber online und wurde bislang über 30.000 Mal angesehen. Seither ist einiges passiert: „Drei Tage nach dem Release kam die ‚Cobra‘, angeblich wegen Terrorverdacht. Und alle Jungs mussten aussagen. Sie haben aber nix gefunden, wir sind natürlich keine Terroristen“, betont der Rapper. Der Schreckmoment hatte allerdings auch seine positiven Seiten: „Schlechte Publicity ist auch Publicity“, sagt er und schmunzelt. Das Spiel mit den Gangsta-Posen ist freilich nicht so politisch korrekt, wie es in manchen Kreisen erwünscht wäre. Albi und seine Crew sehen es aber gelassen: „Du musst ja nicht immer das sein, was du zeigst“, sagt er.

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Noch etwas ist passiert: Felix Sterzinger, Inhaber des Innsbrucker Label Aton Studio, der den 23-Jährigen mit den beachtlichen Rap-Skills schon seit Jahren kannte, hat ihn unter Vertrag genommen und bringt seither eine professionelle Struktur in Albis Schaffen. Zwei Monate lang haben sie gemeinsam an weiteren Songs gearbeitet und dazu auch ein Video mit dem Titel „Albi – bald bekannt“ releast, das von Clemens Millauer produziert wurde.

Seit Mitte Juli kursiert es auf YouTube – knapp eine Woche nach Veröffentlichung wurde auch dieses Video, das Innsbruck in ein ungewohnt urbanes Licht taucht, bereits über 12.000 Mal angeklickt. Vielleicht wird der Titel ja Wirklichkeit: Im August soll eine EP der Atonbrazas, also des gesamten Rapper-Kollektivs rund um Albi, Chicko, Ramz und Traplin, folgen. Auch mit von der Partie: Beatproduzent Notha, der mit seiner Eventserie „Faded“ regelmäßig Atons Lieblingsclub Dachsbau als DJ bespielt. Die Atonbraza-Tracks gehören klarerweise schon zu seinem Repertoire, das bald noch größer wird. In den kommenden Monaten sind nämlich auch Solo-Alben der einzelnen Künstler geplant. Über Auftrittsanfragen dürfen sie sich alle freuen, Termine folgen demnächst. 

Acht Ohren hören besser als zwei.

„Die Gauner kommen doch nur zu mir ins Studio, weil sie aufnehmen wollen“, scherzt Felix, der Rest der Crew grinst. Natürlich wollen sie alle zum Mikro, sind voll engagiert. „Ich war noch nie von einem Projekt so überzeugt wie von diesem“, sagt der Label- und Studiobetreiber. Dafür nimmt er sogar einen zusätzlichen finanziellen Aufwand in Kauf. Das wissen alle sehr zu schätzen, die Chemie stimmt. „Wir machen uns viele Gedanken zum Sounddesign, wollen zum Beispiel Beats mit Techno-Elementen verknüpfen“, sagt Notha.

 

HANDMADE. Aufgenommen wird im Aton-Studio beim Gasthaus Zur Eiche.

Die Brazas produzieren alle Beats selber, „komplett maßgeschneidert, AMA-Gütesiegel“.

 

Das Leben unter Gleichen ist für den Rapper an und für sich praktisch, „weil man sich mit der Sprache nicht verstellen muss. Aber wenn man denkt, die anderen wollen uns nicht, wird die Isolation zum Selbstläufer.“

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Den Jungs ist es aber gelungen, die jeweiligen Gruppengrenzen zu sprengen. „Die Freunde von Felix sind Skater, Studenten, Gastronomen, Geschäftsleute und so weiter. Leute, die normalerweise nie mit meinen Leuten auf einen Drink gehen würden.“ Durch ihre musikalische Zusammenarbeit haben beide Welten aber zueinandergefunden: „Hipster und Gangster-Azzlack-Szene vereint! Echt, unsere Leute treffen sich auch ohne uns und unterstützen sich gegenseitig. Das hat’s vorher nicht gegeben. Das ist für unsere Musik super. Und unglaublich schön zu sehen“, sagt Felix. „Was der Staat seit Jahren nicht schafft …“, ergänzt Notha schelmisch und die Crew lacht. 

Träume von Popcorn, Cola und Ferrari.

Als Albi 2004 mit seiner Mutter und zwei Geschwistern in Österreich aufgehalten wurden, wollte die Familie eigentlich nach Frankreich. Sie waren aus Tschetschenien gekommen. Zu Fuß. „Dann sahen mein Bruder und ich zum ersten Mal eine automatische Tür im Billa. Wir haben uns gefragt, was das soll. Dann liefen wir eine halbe Stunde lang ein und aus, immer durch die Tür“, erinnert er sich.

Die Familie hatte in Österreich ein Dach über dem Kopf, „Semmeln, Wurst und Käse“, erzählt er.

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Als die Buben beim Kino vorbeigingen, kam die nächste Verlockung: „Du siehst ein neues Leben und willst es auch haben – egal ob Popcorn, Cola oder Ferrari.“ Später nahm er sich einfach Fetzen aus diesem verlockenden Leben, klaute Handys und bereitete seiner Mama „Kopfweh vom Feinsten“. „Es gibt zum Glück keine Akte, aber ich war kein Engel. Jetzt bin ich auf einem guten Weg und mache solche Dinge nicht mehr,“ sagt Albi. Er hat eine Lehre als Elektriker abgeschlossen und wird bald ein Restaurant eröffnen. Deutsch gelernt hat er quasi in Eigenregie, mit Toggo TV und Bushido. „Meine Lehrerin lobte mich, weil ich Hochdeutsch sprach. Das war ein gutes Gefühl“, erzählt Albi, der im Flüchtlingsheim mit zehn Jahren fünf Euro für kleine Dolmetscherjobs bekam. Auch Felix ist von seinem enormen Wortschatz sehr beeindruckt, seine Vergangenheit mache seine Musik sehr authentisch. „Ich schreibe mir einfach auf, was so passiert, oder prahle mit den Dingen rum, die meine Jungs machen“, erklärt der Rapper und lächelt wieder mal verschmitzt. Dann lenkt ihn sein Handy ab: „Ich habe gestern vielen Leuten vom aktuellen Release erzählt und heute schon über 50 Nachrichten bekommen. Wahnsinns-Support. Ich finde, damit mache ich nichts falsch.“

„Ich schreibe mir einfach auf, was so passiert, oder prahle mit den Dingen rum, die meine Jungs machen.“

Albi
GANGSTER-CITY. In seinen Videos lässt Albi Innsbruck ganz schön düster aussehen

 

Nach dem Track „ISSO“ gab’s Besuch von der Cobra