„Wenn man das Studium nicht hinschmeißt, um sich fluchtartig alle Probleme vom Hals zu schaffen, kann ein Abbruch zur persönlichen Entwicklung beitragen.“
Christian Schöpf
ark Zuckerberg, Bill Gates, Steve Jobs, Wolfgang Joop, Alice Schwarzer, Stefan Raab – sie alle verbindet, dass ihnen etwas fehlt: der Studienabschluss. Es gibt viele prominente Beispiele, die trotz geschmissenem Studium beruflich erfolgreich sind.
//Auch der Innsbrucker DJ Martin Wazak, bekannt als The Waz Exp, macht heute ohne Studium das, was er immer schon machen wollte: mit und von der Musik leben. Seit 27 Jahren legt der heute 44-Jährige in verschiedenen Locations im In- und Ausland auf. Um die 150 Gigs sind es im Jahr. Trotzdem bereut er es manchmal, sein Psychologie- und Italienisch-Studium nicht beendet zu haben. „Ich denke oft, dass es dumm war, alles hinzuschmeißen, weniger aus beruflichen Gründen, eher aus Interesse an den Fächern“, sagt Wazak.
Erst Matura, dann Freiheit.
Die psychologische Studentenberatung in Innsbruck wird immer wieder von jungen Menschen, die im Studium feststecken, aufgesucht. Großteils sind es nicht Studienabbrecher, sondern Zweifler, erklärt der psychologische Leiter Christian Schöpf. „Studierende, die sich an uns wenden, sind auf der Suche nach einer Lösung für ihre Probleme an der Uni oder im privaten Leben.“ Mit diesen Klienten gilt es zunächst herauszufinden, was tatsächlich hinter der Überlegung, alles an den Nagel zu hängen, steckt. Liegt es am Studiengang? Ist man fachlich überfordert oder sind es die Rahmenbedingungen? Ist der Druck von daheim zu groß? Welche Alternativen gibt es?
//Die Erfahrung hat Schöpf gezeigt, dass die falsche Studienwahl einer der Hauptgründe für das Aus ist. „Bis zur Matura bekommt man die
Inhalte mehr oder weniger vorgegeben. Die wenigsten setzen sich daher intensiv mit ihren Fähigkeiten und Interessen auseinander. Mit der plötzlichen Freiheit nach der Matura sind einige überfordert und wählen ein Fach, ohne den damit verbundenen Aufwand bzw. die beruflichen Möglichkeiten zu kennen“, sagt Schöpf. Auf der Uni folgt dann die Ernüchterung.
Unterschätzt.
Überfordert war auch Stefan Lenz* mit seinem Studium. Er hat nach Abschluss der HTL ein Jahr lang gearbeitet und beschloss dann, Chemie zu studieren – das Fach lag und gefiel ihm in der Schule besonders. Doch krankheitsbedingt musste er viele Vorlesungen im ersten Semester sausen lassen. Der Aufwand, den Stoff alleine nachzuholen, war zu groß. Er rasselte bei den Prüfungen durch.
//„Grundsätzlich habe ich den zeitlichen Aufwand unterschätzt. Auch mit der vielen Freizeit konnte ich nicht umgehen. Als ich dann noch krank wurde, fehlte mir einfach die Motivation“, erzählt Lenz. Im Frühjahr folgte die Exmatrikulation. Die Entscheidung fiel ihm nicht leicht und auch heute hadert er noch damit. Besonders schwierig ist es, zurück in die Spur zu finden. „Es ist extrem mühsam, mich wieder neu zu orientieren. Das zieht mich runter.“ Jetzt ist Lenz auf der Suche nach Alternativen – er will vorerst arbeiten, Beratung findet er am BIZ (siehe Infobox). Vielleicht wird er irgendwann zurück an die Uni gehen. Schließlich ist Wissenschaftler sein Traumberuf.
Entwicklungsschritt.
Das Gefühl des Scheiterns kennen auch andere. „Studienabbrecher fühlen sich oft schuldig
und schämen sich dafür, ihr Studium nicht zu beenden. Das mindert ihr Selbstwertgefühl“, erklärt Schöpf. Er rät zu einem konstruktiven Umgang mit der Entscheidung, sodass aus dem Ende ein Neuanfang werden kann. „Vorausgesetzt, man schmeißt das Studium nicht hin, um sich fluchtartig alle Probleme vom Hals zu schaffen, kann ein Abbruch zur persönlichen Entwicklung beitragen.“ Das Um und Auf ist, sich vorab intensiv mit dem Warum auseinanderzusetzen und sich genügend Zeit für die Planung der beruflichen Zukunft zu nehmen.
//Die akademische Ausbildung in jedem Fall abzuschließen, empfiehlt Schöpf all jenen, die sich bereits am Ende ihres Studiums befinden. Auch wenn das Studienfach auf dem ersten Blick nicht zu 100 Prozent zum Berufswunsch passt. „Ein Abschluss erhöht die beruflichen Möglichkeiten. Man kann dann immer noch in einem anderen Sektor Fuß fassen.“
Tipps für Zweifler.
Wer mit dem Gedanken spielt, der Uni den Rücken zu kehren, sollte laut Schöpf diese Punkte für sich klären: Erstens: Warum will man abbrechen? Zweitens: Welchen Nutzen hat der Abbruch? Drittens: Was kann man aus der Sache lernen? Und viertens: Welche Alternativen gibt es?
//Außerdem erinnert der Studierendenberater daran, dass viele wichtige Erfindungen durch Fehler entstanden sind – und Irr- und Umwege eben auch zum Leben gehören. Schließlich zählen auch die Gründer von Facebook, Microsoft und Apple trotz ihres Studienabbruchs zu den erfolgreichsten Menschen unserer Zeit.
Die psychologische Studentenberatung wird immer wieder von jungen Menschen, die im Studium feststecken, aufgesucht.
Hilfe und Beratung
gibt es hier:
Psychologische Studentenberatung
Schöpfstrafle 3, 6020 Innsbruck
Tel.: 0512/507-39601
E-Mail:
[email protected]
BerufsInfoZentrum BIZ Innsbruck
Schöpfstrafle 5, 6020 Innsbruck
Tel.: 0512/5903
E-Mail: [email protected]
Die Abbrecher
Zwei Studienabbrecher erzählen, wie es für sie zum Aus kam und wie es weiterging.
Martin Wazac aka The Waz Exp (44)
DJ
Studienfächer: Psychologie (2 Semester) und Italienisch (1 Semester) in Innsbruck
Warum wolltest du studieren? „Mit 20 legte ich regelmäßig in Turin auf und da ich mit dem Englischen oft nicht weiterkam, wollte ich Italienisch lernen. Mit Psychologie habe ich aus reinem Interesse begonnen – das kann man immer brauchen.“
Wieso hast du das Studium abgebrochen? „Bei Italienisch war es aus reiner Faulheit – ich hätte das Studium auch beenden können, aber ich habe es einfach nicht durchgezogen. Auch bei Psychologie fehlte mir der Biss.“
Bereust du deine Entscheidung? „Ja, ich denke oft, dass es dumm war, alles hinzuschmeißen. Weniger aus beruflichen Gründen, eher aus Interesse an den Fächern.“
Was machst du heute? „Ich lebe seit 1989 von und mit der Musik – als DJ und Produzent. Ich wollte nie etwas anderes machen und bin daher auch glücklich.“
„Ich denke oft, dass es dumm war, alles hinzuschmeißen. Weniger aus beruflichen Gründen, eher aus Interesse.“
Martin Wazac
Dorothea Hoffmann (23)
Kochlehrling im Fünf-Sterne-Superior-Hotel Stock Resort im Zillertal
Studienfächer: Chemie (2 Semester) und
Medizin (6 Semester)
Wieso hast du mit dem Studieren begonnen? „Bereits als Kind wollte ich Ärztin werden und anderen Menschen eine bessere Zukunft ermöglichen. Da ich nach der Matura für den Medizin-Aufnahmetest zu spät dran war, begann ich mit Chemie. Ein Jahr später klappte es dann mit dem Medizinstudium.“
Was wurde dann aus deinem Traumberuf? „Im sechsten Semester begann ich zu zweifeln. Die Fächer waren interessant und ich war auch gut, doch etwas fehlte mir. Ich beriet mich mit meiner Mutter, die Ärztin ist und mich schließlich fragte, welche Aktivität mir so wirklich Herzklopfen bereitet. Und das war eindeutig das Kochen.“
Fiel dir die Entscheidung schwer, die Uni zu verlassen? „Ja, insbesondere, weil ich schon so weit mit meinem Studium war. Ich wollte auch niemanden enttäuschen. Zudem hat eine akademische Ausbildung bei vielen in meinem Bekanntenkreis einen besseren Ruf, obwohl die Lehre gerade für handwerklich Begabte eine tolle Option ist. Bereut habe ich meine Entscheidung aber nie.“
Was sind deine Pläne für die Zukunft? „Ich lerne nebenbei Chinesisch und kann mir gut vorstellen, mir im Ausland ein internationales Küchen-Repertoire anzueignen. Ich träume auch von einem eigenen Betrieb, weshalb ich über ein Fernstudium in BWL nachdenke.“
„Meine Mutter fragte mich, welche Aktivität mir so wirklich Herzklopfen bereitet. Und das war eindeutig das Kochen.“
Dorothea Hoffmann