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AUGUST 2015

Sozial

Found in Translation

interprAID ist die erste Dolmetschplattform für soziale Einrichtungen. Diese progressive Idee mit europaweiter Ausrichtung ist in Innsbruck geboren. 6020 sprach mit Matthias Monreal – dem Mann, der dafür seinen Idealen folgte.

Fotos: Dominique Huter
I

ch wollte schon immer ein Weltverbesserer sein“, schmunzelt Matthias Monreal und denkt zurück an die Zeit, als er zwei Jahre lang durch die Welt reiste, um anschließend in London an der School for Oriental & African Studies Entwicklungshilfe zu studieren. Später folgten das Studium der Geografischen Informationssysteme und damit die konkrete Absicht, handfeste Fachkenntnisse für den Einsatz in der Entwicklungszusammenarbeit zu erlernen. In diese ist er jedoch nicht eingestiegen, er blieb stattdessen in der Wissenschaft. Einige Jahre in der Forschung, zunächst in England, später auch an der Uni Innsbruck. Bis zu seinem Ausstieg 2014. „Ich konnte mich mit meinem Beruf nicht mehr identifizieren und war zu entfernt von dem, was ich wirklich machen wollte – nämlich wirksam sein.“

Was braucht die Gesellschaft?

Seine vielfältigen Kompetenzen ließen ein breites Spektrum an Möglichkeiten zu und stellten den heute 43-Jährigen vor die Wahl. Bei der Überlegung, was er als Nächstes tun würde, folgte er zwei Fragen: „Welchen ‚Need’, also welches Bedürfnis, gibt es in der Gesellschaft?“ und „Womit könnte ich beitragen und eine Lösung bieten?“ Aus diesem Prozess heraus war schnell die Idee für interprAID geboren – eine Dolmetschplattform für soziale Einrichtungen.

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„Ich wollte schon immer ein Weltverbesserer sein.“

Matthias Monreal

 

Der ausschlaggebende Impuls kam aus der Erfahrung von Monreals Ehefrau, die als Beraterin im sozialen Bereich stets auf der Suche nach kompetenten und passenden Dolmetschern war. Bei Klienten mit Migrationshintergrund und unzureichenden Deutschkenntnissen kam der Nutzen ihrer professionellen Beratung oft nur zur Hälfte an. „Sehr viel dabei war ‚lost in translation’“, erklärt Monreal.

Dolmetscher-Community.

InterprAID sieht sich als eine Gemeinschaft im Bereich des Kommunaldolmetschens – auch als Community Interpreting bekannt – also dem mündlichen Übersetzen in Sprachen wie Somalisch, Dari oder Arabisch und zwar ausschließlich im sozialen Bereich. Durch die Verknüpfung und Erweiterung existierender Dolmetscher-Pools bietet die Plattform sozial wirkenden Institutionen wie zum Beispiel dem Roten Kreuz oder dem Gewaltschutzzentrum die Möglichkeit, schnell und unkompliziert auf Dolmetscher der gefragten Sprachen zugreifen zu können. Die Einrichtungen können somit ihren sozialen Dienst in vollem Ausmaß – ohne Sprachbarrieren und damit gleichberechtigt für alle Menschen – anbieten. Der Ansatz von interprAID zielt außerdem darauf ab, dieses Pool auszubauen und die Einrichtungen dazu zu animieren, ihre Dolmetscher-Ressourcen mit anderen zu teilen. Für die Dolmetscher entstehen dadurch neue Auftragsmöglichkeiten sowie der Anreiz, eine wertvolle Kompetenz weiter zu professionalisieren.

Mehr als Sprachkompetenz.

Die Idee für die Plattform baut auf zwei Hauptaspekten auf. Zum einen sind es detaillierte Profile der Dolmetscher, auf denen sie sich mit einer kurzen Vita, Infos zu Berufserfahrungen sowie religiösen und kulturellen Hintergründen vorstellen.

Letztere sind im Kommunaldolmetschen von großer Bedeutung und können einen wesentlichen Unterschied ausmachen. „Haben wir es mit der Beratung eines Flüchtlingsproblems zu tun, darf der Sprachmittler nicht aus der Konfliktpartei stammen“, erklärt Monreal. Ebenso relevant ist das Geschlecht: „Im Frauenhaus kann ich natürlich keinen männlichen Dolmetscher einsetzen.“ Generell sind die Anforderungen an persönliche Integrität der Übersetzer sehr hoch. „Es gibt nicht einen Einsatz im sozialen Bereich, der nicht existenziell ist“, erzählt Monreal. „Wenn Menschen Arbeit oder Wohnung suchen, medizinische Hilfe benötigen oder rechtliche Beratung brauchen, handelt es sich stets um persönliche Themen, die eine hohe Sensibilität und Empathie erfordern.“

Von überall, für überall.

Der zweite Aspekt ist die Ortsunabhängigkeit. „InterprAID musste groß angelegt sein. Einerseits, damit es sich wirtschaftlich trägt, andererseits aufgrund der Dolmetscherpools“, erklärt der Wahltiroler. Der Innsbrucker Pool würde niemals den Bedarf an Sprachvielfalt abdecken können: „Die Dolmetscher müssen von überall her kommen und in umgekehrter Richtung von überall gebucht werden.“ Möglich macht es die so genannte WebRTC-Technologie, welche Video-Calls im Browser stattfinden lässt. So können Dolmetschtermine einfach und ortsunabhängig per Video-Call über die interprAID-Webplattform geführt werden.

Gesellschaftlicher Mehrwert.

Noch steckt das Projekt in den Kinderschuhen. Erst seit Mai 2015 ist das Webportal online. Die bisherige Resonanz ermutigend.