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APRIL 2020

Keine Angst – die 6020-Redaktion zwangsbeglückt euch nicht mit noch einem Corona-Tagebuch. Aber ein paar Dinge wollten wir trotzdem los werden.

Text: Rebecca Müller

Chlorgeruch und Fehdehandschuh

 

Was ich als Erstes mache, wenn diese Krise vorbei ist:
Schwimmen gehen. Ins Städtische Hallenbad. Oder im Baggersee – je nachdem. Das Städtische Hallenbad wäre in jedem Fall ein guter Ort, um sich wieder an das Gegenteil von Social Distan-cing zu gewöhnen.

 

Was ich vermissen werde:
Jogginghosen.

 

Was ich nicht vermissen werde:
Telkos und das peinliche Gefühl, wenn man jetzt Klopapier kaufen muss.

 

Ein Phänomen, dass für mich beispielhaft für die Situation steht:
Ich telefoniere so viel wie seit den 90ern nicht mehr.

 

Was mir so richtig auf die Nerven geht:
Selbstoptimierungswahn auf Instagram. Ja, es ist gut, wenn man es schafft, die Zeit daheim zu nutzen. Aber – sunny_good_vibes_only_74 – wenn diese Scheiße vorbei ist, dann komme ich zu dir, prüfe dich Französisch-Vokabeln ab, lass dich Rezension zu allen 20 Büchern, die du so hübsch neben einer Tasse Tee, deiner Brille und Blumen drapiert und angeblich in zwei Wochen gelesen hast, dann lass ich dich den Yoga-Handstand machen, den du endlich #gemastert hast, während du aufzählst, wie viele neue Rezepte du ausprobiert hast, frage deine Nachbarn, ob du ihren Köter für mehr als einen Selfie um die Ecke geschliffen hast, und dann fahre ich mit einem weißen Handschuh über alle deine Ober-flächen, bevor ich ihn dir sanft ins Gesicht klatsche.

Und meine kleine Küche.

„Ich besitze eine absurde Anzahl an Jogging- und Pyjama­hosen.“

Was ich über mich gelernt habe:

Ich besitze eine absurde Anzahl an Jogging- und Pyjamahosen. Die Tatsache, dass ich meinen Snoopy-Pyjama nicht gefunden habe, hat dennoch zu einem mittleren Nervenzusammenbruch geführt.

Ich habe schon immer mit meinen Pflanzen geredet, jetzt haben sie aber Namen: „Susi, ich weiß, dass Brigitte dir Licht wegnimmt, aber du könntet dich auch für sie freuen, dass sie so zufrieden vor sich hin sprießt. Emma – schon wieder ein gelbes Blatt! Wenn du mir nicht sagst, was dich stört, kann ich dir halt auch nicht helfen.“

Text: Christiane Fasching

Ungewissheit und Tiefkühlpizza

 

Was ich als Erstes mache, wenn die Krise vorbei ist:
Mit dem Fahrrad und zig Freunden im Schlepptau so viele Gemeindegrenzen wie möglich übertreten. Und meiner 85-jährigen Nachbarin Frieda die Hand schütteln, ohne mich dabei wie ein potentieller Killer zu fühlen. Ach was: Ich werd sie sogar busseln.

 

Was ich vermissen werde:
Meine saubere Wohnung. Denn sobald die Welt nicht mehr Kopf steht, werden sich bei mir wieder Staubmäuse einnisten.

 

Was ich nicht vermissen werde:
Beschissene Klopapier-Witze, pfiffige Masken-Näh-Anleitungen, passionierte Blockwarte mit Ferngucker und vergeigte Balkonkonzerte. „Ein Stern, der deinen Namen trägt“ ist indiskutabel. Bei „Anton aus Tirol“ werd‘ ich selbst zum Blockwart.

 

Ein Phänomen, das für mich beispielhaft für die Situation steht:
Böse Leut‘ werden in Krisen­zeiten noch böser, nette Leut‘ noch netter.

 

Was mir so richtig auf die Nerven geht:
Meine Träume: Mal bin ich eine Geheimagentin, die bei nächtlichen Undercover-Ermittlungen auf einem Schlachthof filetiert wird, dann adoptiere ich wieder tigergroße Katzen mit riesigen Löchern im Bauch oder entfliehe den Verführungsversuchen meines Ex-Ex-Chefs. Ist dieser Corona-Irrsinn womöglich auch nur mein Hirngespinst? Dann bitte um Einweisung ins Schlaflabor oder in die Geschlossene.

Was mich aber richtig rasend macht, sind die ganzen egozentrischen Nörgler, die tatsächlich meinen, dass sich das Virus nur um sie dreht und sie die Allerärmsten sind, weil ihr Wlan lahmt oder der Germ aus war. Schaut die ZiB und esst Tiefkühlpizza!

 

Was ich über mich gelernt habe:
Verbotene Dinge üben einen unfassbaren Reiz auf mich aus. Seit das Joggen untersagt ist, will ich unbedingt damit anfangen. Außerdem orientiere ich mich gern an Altbekanntem: Anstatt neue Netflix-Serien zu entdecken, schaue ich mit großer Euphorie „Pumuckl“, „Kommissar Rex“ und alte „Bergdoktor“-Folgen.

Ansonsten habe ich alles richtig gemacht. Ach nein: Das war ja die Tiroler Landesregierung.

„Ansonsten habe ich alles richtig gemacht. Ach nein: Das war ja die Tiroler Landes­regierung.“

Text: Lisa Schwarzenauer

Herabschauende Hunde und entführte Katzen


Was ich als Erstes mache, wenn diese Krise vorbei ist:
In ein Café gehen – ich habe seit dem Anfang der Isolation eine total irrationale Sehnsucht nach einem richtig guten Cappuccino oder Flat White, obwohl ich eigentlich so gut wie keinen Kaffee trinke.

Zug fahren, um wieder Mal mehr als einen Kilometer zwischen mich und mein Bett zu bringen. Falls dann Sommer ist und das Wetter nicht verrücktspielt: im Stimmersee schwimmen.

Was ich vermissen werde:
Zeit für alles zu haben, was sonst in den Alltag gequetscht werden oder aufs Wochenende warten muss: Der Stapel ungelesener Bücher wird gerade zur Abwechslung mal kleiner, mein Zimmer wird jeden Tag zum privaten Yoga-Studio (wo praktischerweise niemand mitbekommt, wenn ich wieder Mal umfalle oder in Child’s Pose rumliege, während die Yogalehrerin locker im Handstand balanciert), in der Küche muss es ausnahmsweise nicht schnell gehen.

Was ich nicht vermissen werde:
Mich wie eine Verbrecherin zu fühlen, sobald ich einen Fuß vor das Haus setze. Telefonkonferenzen. Und die täglichen Gitarren-Konzerte der WG über mir, pünktlich um 18 Uhr – wer’s nicht kann, bitte einfach lassen. Oder zumindest nicht noch extra das Fenster aufreißen, damit es ja jeder mitbekommt.

„Letztens habe ich eine Katze im Innenhof entdeckt und ganz kurz überlegt, ob es wohl als Tier-Entführung gelten würde, wenn ich mir die für eine Stunde ‚ausleihe‘.“

Ein Phänomen, das für mich beispielhaft für die Situation steht:
Ich tüftle seit Wochen am perfekten Setup für Videotelefonate und -konferenzen und bin immer noch nicht ganz zufrieden. Mittlerweile glaube ich, dass es einfach an meinem Gesicht liegt.

Was mir so richtig auf die Nerven geht:
Menschen, die zu cool dafür sind, sich an die Beschränkungen zu halten.

Was ich über mich gelernt habe:
Ich hasse Staub. Ich habe zu wenig Zuhause-Klamotten, die ich wirklich mag. Ich komme überraschend gut ohne die Süßigkeiten-Box im Büro aus. Und ich brauche eine Katze. Letztens habe ich eine im Innenhof entdeckt und ganz kurz überlegt, ob es wohl als Tier-Entführung gelten würde, wenn ich mir die für eine Stunde „ausleihe“.

Text: Haris Kovacevic

Für alle ohne Trampolin

Was ich als Erstes mache, wenn diese Krise vorbei ist:
Ich gehe sicher angstfrei durchs enge Stiegenhaus, dann auf mein Handy starrend über den Gehsteig, um mir im Supermarkt nur einen einzigen Eistee zu kaufen – was für ein Luxus das alles ist!

Was ich vermissen werde:
Die Abstände an der Supermarktkassa und Netflix-Vormittage.

Was ich nicht vermissen werde:
Jede Art von Konferenz, die nun täglich stattzufinden scheint. Ob Presse- oder Telefonkonferenz spielt keine Rolle mehr. Außerdem Hobbyvirologen und -psychologen.

Ein Phänomen, das für mich beispielhaft für die Situation steht:
Zwei Menschen halten Augenkontakt beim Aufeinanderzugehen, um wenige Meter vor dem Zusammentreffen einen großen Bogen um einander zu machen, so als hätten sich beide gleichzeitig daran erinnert, in der Früh kein Deo aufge­tragen zu haben.

„Ich kann außerdem nicht jeden Tag Nudeln essen. Zwischendurch muss auch mal eine Lasagne her.“

Was mir so richtig auf die Nerven geht:
Leute mit Trampolin und Swimmingpool im Garten, die mir sagen, dass ich auf den Balkon gehen soll. Hätte ich einen, wäre ich selbst nicht draufgekommen.

Meistens sind es die gleichen, die einem Trampolin hüpfend einbläuen wollen, dass die Corona-Krise eine riesige Chance ist. Ich würde sagen eine Plus 2-Karte in der Hand bei Uno ist eine Chance, ein Pass im Fünf-Meter-Raum beim Fußball ebenfalls, ein Pilz bei Super-Mario auch oder ein Praktikumsplatz in einer großen Firma, in der man später arbeiten will. Eine Pandemie an sich ist aber erstmal nur beschissen.

Was ich über mich gelernt habe:
Ich bin nicht so fit, wie ich gedacht hab. Auch ich habe mein Sportlerherz entdeckt, sobald die Einschränkungen kamen. Zum Glück kam und ging meine Motivation, als Sporteln draußen untersagt war. Ich vermute, die Rettung hätte sonst meinen ausgelaugten Körper irgendwo neben der Promenade auflesen müssen, nur wenige Meter von meiner Wohnung entfernt.

Ich kann außerdem nicht jeden Tag Nudeln essen. Zwischendurch muss auch mal eine Lasagne her.

Text: Eva Schwienbacher

Grenzschließungen und Grissini

 

Was ich als Erstes mache, wenn das Ganze vorbei ist:
Eine Biketour mit Freunden, danach gemeinsam den Frühling genießen – ich hoffe, dass dann nicht bereits Sommer ist.

Was ich vermissen werde:
Die viele Zeit mit meinem kleinen Sohn.

Was ich nicht vermissen werde:
Die offensichtliche Ungewissheit und das schlechte Gewissen, wenn es einem trotz Krise eigentlich gut geht.

Ein Phänomen, dass für mich beispielhaft für die Situation steht:
Das tagtägliche Warten auf Neuigkeiten.

Was mir so richtig auf die Nerven geht:
Dass ich grad nicht selbst entscheiden kann, wen ich wann, wo und wie lange treffe und wie nahe ich dieser Person komme. Die Unklarheit darüber, was erlaubt ist und was nicht – im Speziellen was das Laufen betrifft.

Meine Schwägerin hat sich in der ersten Quarantäne­woche die Bänder beim Fensterputzen gerissen – so viel zu stay safe, stay home.

Ich ertappe mich manchmal dabei, wie ich mir Gedanken über die Wohnsituation fremder Menschen mache, die mir beim Beinevertreten begegnen. Das hört hoffentlich auf!

Was ich über mich gelernt habe:
Wenn ich mich bemühe, kann ich aus Lego komplexere Konstrukte bauen als bloß einen Turm mit rechteckigem Grundriss.

Bügeln widerstrebt mir dermaßen, dass ich es auch unter Quarantäne nicht mache. Spätestens um 13 Uhr sollte ich raus, sonst fällt mir die Decke auf den Kopf. Aber: Grundsätzlich halte ich es daheim länger aus als gedacht.

„Wenn ich mich be­mühe, kann ich aus Lego komplexere Konstrukte bauen als bloß einen Turm mit rechteckigem Grundriss.“