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OKTOBER 2014

Balkonbesuch

Der Mann hinter dem Balkon

Im Stadtteil Pradl befindet sich der wohl bekannteste und meistfotografierte Balkon der Stadt. Geschmückt und dekoriert wie kein zweiter – und zwar zu Weihnachten, zu Ostern und zu jeder Fußball-WM und -EM. Wer steckt hinter dem ungewöhnlichen Balkon? 6020 hat geklingelt.

Fotos: Dominique Huter

„Ich verschenke viele meiner dekoartikel.“

Hans peter riesinger
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in großer, grauer Wohnblock an einer belebten Straße mitten in Pradl. Der bunt dekorierte Balkon im ersten Stock sticht sofort ins Auge. Am Gelände und an den Balkonwänden hängen jede Menge grün-gelber Bänder sowie unzählige Kunstblumen. „Das sind Überbleibsel, der letzte Rest der Fußball-WM-Deko“, erklärt Hans Peter Riesinger. Er ist der Mann hinter dem Balkon. Kurze, braune Haare, eine Brille und aufgeregte Gesten. Hans Peter freut sich sichtlich über das Interesse an seiner Person. Geboren wurde er vor 60 Jahren in München, gearbeitet und gelebt hat er an vielen verschiedenen Orten, hauptsächlich in Ostdeutschland und Südtirol. Die meiste Zeit seines Lebens war Hans Peter Pädagoge und erfolgreicher Inhaber einer Textilfirma. „Darüber hinaus habe ich auch als Reiseleiter gearbeitet, in einer Brauerei, in einer Sennerei, in einer Gärtnerei oder auch in einer Druckerei. Ich war mir nie für eine Arbeit zu schade.“

Las Vegas ist nix dagegen.

Nach dem Verkauf seiner Sportartikel-Firma ist Hans Peter im Jahr 2000 von Ostdeutschland nach Innsbruck gezogen. Seit damals wohnt er in einer kleinen Eigentumswohnung in der Doktor-Glatz-Straße und seit damals schmückt und dekoriert er seinen Balkon mit solcher Begeisterung, dass er immer wieder den Satz hört: „Las Vegas ist nix dagegen.“ Verstaut werden die unzähligen Dekoartikel im Keller. „Um die 1.000 Christbaumkugeln und etwa 1.000 Ostereier dürften es schon sein“, lacht Hans Peter.

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Pünktlich eine Woche vor Weihnachten wird sein Balkon jedes Jahr zu einem wahren Lichter- und Farbenmeer. „Ich hatte eine sehr traurige Kindheit. Als Kind hatte ich nie ein richtiges Weihnachtsfest, vermutlich bin ich deswegen jetzt so ein großer Weihnachtsfan.“ Seine Weihnachtsdeko ist jedes Jahr ein wenig anders, allzu viel Neues kauft er dafür aber nicht. „Die Dekoartikel kosten mich weniger, als die Leute meinen. Ich schöpfe aus meinem vollen Fundus.“

Zur Freude (fast) aller.

Hans Peter legt Wert darauf zu betonen, dass er den Balkon eigentlich nicht für sich selbst dekoriert. „Ich möchte anderen eine Freude machen. Ich sehe oft, wie jemand in der Straßenbahn sitzt und meinen Balkon fotografiert.“ An schönen Tagen sitzt Hans Peter gern zum Zeitung­lesen und Kaffeetrinken auf seinem Balkon, von der Straße aus ist er dabei nicht zu sehen. „Ich freu mich diebisch, wenn ich höre, wie Passanten über meinen Balkon reden, manchmal sogar diskutieren.“ Nur eine Reaktion treibt ihm fast die Tränen in die Augen: „Ich werde jedes Jahr zu Weihnachten von einer Hauspartei angezeigt und zwar wegen ‚Verschandelung der Hausfassade’.“

Es geht noch mehr.

Hans Peter bittet abschließend noch in seine Wohnung. Diese ist noch mehr geschmückt und dekoriert als sein Balkon und das sogar das ganze Jahr. Es gibt kaum eine freie Fläche an den weißen Wänden, sogar die Holzdecke ist geschmückt. Unzählige Bilder, Sterne, Filz-Eulen, Dekoäpfel, Zitronenscheiben und noch viele weitere Dinge baumeln von den eingeschlagenen Nägeln.

Fußball. Zur WM wurde der Balkon zum Eyecatcher.