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NOVEMBER 2014

Poetry Slammer

Fünf Minuten Ruhm

Poetry Slams sind längst kein Nischenphänomen mehr. So mancher Schriftsteller wäre froh über die Popularität, die viele Slammer genießen. 6020 stellt fünf Vertreter der Innsbrucker Szene vor.

Fotos: Dominique Huter
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pätestens seit Julia Engelmann, die mit ihrem Text „One Day“ als virales Phänomen durch so ziemlich alle populären sozialen Medien und Onlinezeitungen geisterte, ist Poetry Slam eine literarische Ausdrucksform, die ganz oben angekommen ist und der man sich – will man nicht engstirnig sein – auch nicht verschließen sollte. Die Idee des Poetry Slams kommt (wie so vieles) ursprünglich aus den USA und hat sich seit den „Golden Eighties“ weltweit verbreitet, wobei die deutschsprachige Szene nach der englischsprachigen interessanterweise die größte ist. 6020 war beim „Gestaltwandler Slam“ – moderiert von Martin Fritz und Stefan Abermann – im Freien Theater dabei und stellt einige Gesichter der heimischen Szene vor.

Stefan Abermann

Wie ich zum Poetry Slam gekommen bin, erklärt euch Martin Fritz. Das Slammen hat mich, obwohl ich beim ersten Mal einen schlechten Teenagertext gelesen habe, so gepackt, dass ich danach jeden Monat hingegangen bin. Zwei Jahre später bin ich dann das erste Mal ins Finale gekommen. Es hat – wie man sieht – ziemlich lange gedauert, bis dieser Erfolg kam, aber ich bin eben doch bis heute dabeigeblieben. Für mich macht der Reiz des Poetry Slams aus, dass ich vor Publikum einen Text performen kann, also direkten Kontakt zu den Leuten habe. Das bedeutet auch, die sofortige Rückmeldung vom Publikum zu haben. Das genieße ich extrem, das ist wahnsinnig spannend – es gibt mir so richtig einen Schub. Der Wettkampfkontext war mir früher wichtig, mittlerweile ist er mir komplett egal. Das ganze Brimborium rund um den Slam erzeugt ein positives Grundgeräusch und das macht es für mich aus. Gerade bei den Slams hier in Innsbruck, wo lokale Protagonisten ihr Können zum Besten geben und nicht – was es auch gibt – gecastete Leute auftreten, ist auch der Wettkampf nicht negativ zu sehen. Die Leute haben einfach die Chance, vor einem großen Publikum ihren Text zu lesen.           

Martin Fritz

Ich bin zum Poetry Slam gekommen, nachdem Stefan Abermann in einer Tageszeitung gelesen hatte, dass es in Innsbruck irgendwo so ein ominöses Wettlesen gäbe, bei dem man sogar Geld gewinnen könne. Stefan meinte, dass wir da unbedingt hin müssen – alleine hat er sich nämlich nicht getraut und dann bin ich halt mit. Es stellte sich heraus, dass das der Poetry Slam im Bierstindl war. Das ist mittlerweile elf Jahre her. Wir haben bei diesem ersten Auftritt ziemlich peinliche Teenagerpoesie vorgelesen, die dann auch vom Publikum schlecht aufgenommen wurde. Wir haben uns aber nicht entmutigen lassen und haben weiter gemacht. Maßgeblich inspiriert hat uns Markus Köhle (auch „Papa Slam“ genannt), der die Veranstaltungen im Bierstindl organisiert und damit österreichweit den ersten regelmäßigen Poetry Slam ins Leben gerufen hat. Er hat Innsbruck quasi zur Geburtsstätte der österreichischen Slamszene gemacht. Der Wettbewerb ist seit jeher eine Grundkonstante bei Poetry Slams – es geht an dem Abend darum, welcher Text für das Publikum der beste ist. Wenn man selber regelmäßig mitmacht, rückt das auf die Dauer jedoch ziemlich in den Hintergrund und man möchte einfach eine gute Zeit mit netten Menschen haben.           

Rebecca Heinrich

Ich bin 19 und wohne in Absam, bin aber Herz-Innsbruckerin. Ich studiere Deutsch und Französisch auf Lehramt. Auf Poetry Slams bin ich durch Martin Fritz und Stefan Abermann aufmerksam geworden, die einen Workshop an der Uni gemacht haben. Ich bin aber danach trotzdem nicht gleich zum Slammen gegangen. Beim Stöbern durch YouTube-Videos von meiner Lieblingsrapperin Fiva Mc bin ich über die „Related Videos“ noch einmal auf Slams gestoßen und war dann richtig gepackt. Das erste Mal war ich im Oktober 2012 bei einer Veranstaltung und bin seitdem regelmäßig dabei. Ich war jetzt auch bei den U-20-Nationals (deutschsprachige Meisterschaft der U-20-Slammer, Anm.) und komme deshalb auch ein bisschen rum, nach Linz und nach Wien. Das Besondere beim Slammen ist für mich, dass dir die Leute fünf Minuten lang zuhören und du sie mit deinem Text bewegen kannst. Du kannst sie zum Lachen oder zum Weinen bringen – man erlebt etwas miteinander. Ich schreibe meine Texte so, dass ich das Publikum erreichen kann. Für mich ist es großartig, wenn Leute danach zu mir kommen und sagen, dass ihnen mein Text etwas gegeben hat.    

 

Philmarie Theatdaggres

Ich bin Autor, Theatermacher und Vorleser bei Poetry Slams. Während der Vorbereitungen zu meinem ersten Theaterstück – das war 2006 – bin ich im Bierstindl das erste Mal bei einem Slam als Zuschauer dabei gewesen. In den altehrwürdigen Hallen des Bierstindls, das damals noch als Hort der Subkultur fungierte, haben wir dann auch das Theaterstück aufgeführt. Damals habe ich mir gedacht, dass ich auch etwas verfassen müsse, das ich bei einem Poetry Slam vortragen kann. 2008 stand ich dann das erste Mal bei einer Veranstaltung in Wien mit einem Text auf der Bühne. Seither widme ich mich voll und ganz der Literatur, manchmal eben auch in Form eines Slam-Auftritts. In meinen Texten greife ich gerne sozialkritische Themen auf, man kann sagen: ich provoziere gerne. In meinen Augen ist das gezielte Schock-Austeilen ein guter Weg, um die Leute zum Nachdenken zu bringen. Ich kehre mein Innerstes nach außen und erziele so eine Wirkung. Dadurch, dass ich Menschen vor den Kopf stoße und ihnen so die eigene Verkorkstheit bewusst mache, wird ihnen vielleicht manches bewusst.