Was sind die Ergebnisse Ihrer Studie? Dirk Mügge: Wir haben 98 Studien zu den Effekten von Computerspielen ausgewertet. Die seit 2009 veröffentlichten Studien bestätigen frühere Ergebnisse, dass gewalthaltige Computerspiele negativ auf Menschen wirken können – die Ablehnung gegenüber Gewalt verringert sich oder es wird weniger Hilfeverhalten gezeigt. Was in der Berichterstattung aber oft verloren geht: Wir haben neben den negativen Effekten auch positive Auswirkungen auf das Verhalten durch kooperative, prosoziale Spiele gefunden.
Führen Computerspiele mit Gewalt also zu mehr Gewalt in der Gesellschaft? So pauschal kann man das nicht sagen. Videospiele fördern Gewalt, aber die Effekte sind klein. Sie können ein Risiko darstellen, jedoch darf man jetzt nicht sagen: Jemand spielt einen Ego-Shooter und läuft danach Amok. Das ist völlig absurd und dies behauptet kein seriöser Wissenschaftler.
Wie untersucht man Aggression? Früher konnten Wissenschaftler noch Experimente mit Elektroschocks simulieren. Das ist heutzutage aufgrund ethischer Überlegungen schwierig. Deshalb behelfen sich Wissenschaftler zum Beispiel mit Chilisoße: Diese wird zunächst von den Versuchspersonen verkostet, damit sie die Schärfe schmecken können. Nach dem Computerspielen wird ihnen gesagt, dass sie eine frei gewählte Menge der Chilisoße in einen Becher geben sollen und dass eine andere Versuchsperson diese dann essen muss – was natürlich nicht stimmt.
Die Idee dahinter ist, dass Menschen durch Gewaltspiele am Computer aggressiver werden und deshalb der nachfolgenden Person mehr Soße verabreichen. Die Menge lässt indirekt Rückschlüsse auf die Aggression zu. Kritiker bemängeln, dass solche Experimente nichts mit der Realität zu tun hätten. Denn kaum jemand nötigt einen anderen Menschen Chilisoße zu essen, um ihm wehzutun. Deshalb gibt es Fachdiskussionen darüber, wie solche Ergebnisse einzuordnen sind.
Wie sehen Experimente aus, die positive Auswirkungen von Computerspielen zu messen versuchen? Der Versuchsaufbau ist im Grunde gleich – nur die Art des Spieles ändert sich und dies führt zu anderen Ergebnissen. Neben Aggression wird aber auch oft Hilfeverhalten gemessen. Beispielsweise wurde in einem Experiment ein Streit zwischen der Versuchsleiterin und ihrem Partner vor der Versuchsperson inszeniert. Die Zeit bis zum Eingreifen der Versuchsperson ist im Durchschnitt kürzer, wenn zuvor ein prosoziales Spiel und kein Gewaltspiel gespielt wurde.
Sind Sie für Verbote von Gewaltspielen? Nein, weil sie nichts bringen würden. Jeder hat heute Internet – verbieten sie ein Spiel, dann laden die Jugendlichen es sich selbst herunter. Altersbeschränkungen sind aber durchaus sinnvoll.
Wie sollten Eltern, Freunde oder Verwandte reagieren? Generell sollten sich Eltern für die Motive der Kinder beziehungsweise Jugendlichen interessieren. Es ist nicht schlimm, wenn ein Jugendlicher Computer spielt, solange er nicht sein soziales Umfeld vernachlässigt. Wenn ein Jugendlicher aber sozial auffällig ist und dann noch den ganzen Tag gewalthaltige Spiele spielt, sollten Eltern, Freunde oder Verwandte eingreifen. Es ist, wie Paracelsus schon sagte: Die Dosis macht das Gift.
Vielen Dank für das Gespräch.